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Graphic Novel – Stan Lee & Moebius, The Silver Surfer

Stan Lees und Moebius’ “The Silver Surfer” (in früheren Ausgaben gerne mit dem Zusatz “Parable” versehen) ist ein Klassiker. Hier haben sich zwei Titanen des franko-belgischen und des amerikanischen Comics zusammengetan, um eine der ganz seltenen grenzüberschreitenden Kollaborationen zu schaffen.

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Der Inhalt ist dabei recht schnell erzählt: Marvels schier allmächtiger, kosmischer Weltenverschlinger Galactus besucht die Erde und seine bloße Anwesenheit führt zu chaotischen Verhältnissen. Angefeuert durch den machtgierigen Prediger Colton Candell verfallen die Menschen Galactus’ amoralischer Weltsicht. Schnell herrscht blanke Anarchie und das Recht des Stärkeren in den Städten. Nur der Silver Surfer, Galactus’ ehemaliger Botschafter, stellt sich gegen diesen und versucht an Anstand und Moral zu appellieren. Doch erst als Candells Schwester, in einem verzweifelten Versuch den Teufelskreis der Zerstörung zu durchbrechen, zu Tode kommt, findet ein Umdenken statt.

Das Skript von Stan Lee bleibt dessen typischem Stil dabei vollkommen treu: Hier wird alles ausgesprochen, es befindet sich nichts unter der Oberfläche. Die Themen Religion, Schuld, Sünde und Moral werden ständig offen ausgesprochen. Während dieser moralisierende Ton in dem so umfangreichen Werk von Stan Lee nicht selten auch oberlehrerhaft und hölzern daher kommt, profitiert Lee hier von seinem kongenialen Partner Moebius.

Denn die Welt die Moebius aufbaut hat nichts mit der realen zu tun: Eine von Moebius’ Stärke war es immer, neue Welten zugänglich zu machen, die Tür zu fremden, kosmischen Visionen zu öffnen und dementsprechend ist auch diese Welt – trotz aller oberflächlichen Ähnlichkeit mit der unsrigen – vollständig künstlich. Diesen Figuren, die sie bewohnen und die nicht selten an Karikaturen erinnern (vor allem die Nebenfiguren), nimmt man es durchaus ab, dass sie ständig wie Philosophen sprechen und jede Äußerung einer Diskussion zwischen Konsequentialisten und Deontologen zu entstammen scheint. Inklusive ausgiebiger Religionskritik versteht sich.

Auch wenn es Moebius’ Zeichnungen sind, die “The Silver Surfer” über das Niveau anderer typischer Stan Lee-Geschichten stellt, versteckt sich in den Bilder so einiges an Referenzen, die das Comic an sich zu einem Fundus seiner Zeit machen: Moebius selber nennt im Nachwort seinen “Metal hurlant”-Kollegen Philippe Druillet (“Salammbô”, “The return to Melnibone”) als Inspiration, aber es gibt natürlich auch viele, viele Referenzen an Galactus’ Co-Schöpfer Jack Kirby (“The new Gods”). Und auch der Einfluß des in den 80ern so populären Joost Swarte (“Passi, messa”, “Is This All There Is?”) ist nicht zu verkennen.

Selbst heute bleibt “The Silver Surfer” deswegen ein Klassiker, dessen Bedeutung über die bloße Beteiligung zweier Comic-Superstars hinausgeht. Angesichts der Aufmerksamkeit durch Moebius’ Tod letztes Jahr, ist es allerdings umso unverständlicher wieso Marvel sich dazu entschieden hat diese Neuauflage in einem läppischen karton-verstärkten Doppelheft herauszubringen. Angesichts der Lücke, die Moebius’ Tod hinterlassen hat, fragt man sich, warum Marvel es nicht geschafft hat mehr daraus zu machen als bloß die (mutmaßlicherweise chinesischen) Druckerpresse anzuwerfen. Vielleicht können die Fans die ledergebundene Super-Ausgabe auf hangeschöpftem Papier mit Director’s Commentary, seitenlangen Elegien auf die Schöpfer und endlosen Bonus-Tracks erst nach Stan Lees Tod erwarten.
Aber darüber wollen wir lieber garnicht reden.

 

Stan Lee & Moebius
The Silver Surfer
Marvel Comics


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